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2.2 Verhalten des Schmiermittels im Unterdruckgebiet

Die Untersuchungen zum Verhalten des Schmiermittels im Unterdruckgebiet gehen in folgende Richtungen:

1) Es wird theoretisch und experimentell untersucht, ob und unter welchen Bedingungen Flüssigkeiten in der Lage sind, Zugspannungen auf zunehmen.

2) Das Verhalten des Schmiermittels wird am durchsichtigen Gleitlager beobachtete.

3) Der Schmierfilmdruck wird gemessen.

Kornfeld [8] untersucht die Zerreißspannungen in verschiedenen Flüssigkeiten. Aufgrund der Anziehungskräfte der Moleküle wären Flüssigkeiten in der Lage, Zugspannungen von ca. 10 000 N/cm² aufzunehmen. Berücksichtigt man das Vorhandensein von kleinen Gasblasen in der Flüssigkeit und die zugehörigen Oberflächenspannungen, so sinkt die Zugfestigkeit beträchtlich. Sie wird damit eine Funktion der größten Blase in der Flüssigkeit. Durch Messung der Zerreißspannungen nach verschiedenen Methoden weist Kornfeld für Mineralöl Zugspannungen von 0 bis 80 N/cm² nach. Dabei kommt er zu der Schlußfolgerung, daß Zugspannungen nur zu erreichen sind, wenn Gefäßwand und Flüssigkeit sehr rein sind und die Flüssigkeit weitgehend blasenfrei ist. Diese Bedingungen sind im Gleitlager nicht gegeben.

Hofmann [11] macht experimentelle Untersuchungen zur Festigkeit dünner Ölfilme zwischen zwei planparallelen Platten, die schlagartig getrennt werden. Er weist auch Zugspannungen nach, aber ebenfalls nur unter der Bedingung hoher Oberflächengüte und Sauberkeit und nach längerer Vorbelastung des Schmierfilms zur Beseitigung der Gasblasen.

In experimentellen Arbeiten wurden die Schmierfilmdrücke sowohl im stationär belasteten Lager [4],[6],[7],[21] als auch im instationär belasteten Lager [12],[13],[19] gemessen. In den stationär belasteten Lagern, wo die niedrigen Drücke im sich erweiternden Spalt gut erfaßt wurden, liegen diese zwischen dem atmosphärischen und dem Dampfdruck im Bereich von 3 bis 6 N/cm² (absoluter Druck) [6],[7]. Bei den Messungen an instationär belasteten Lagern konnten keine negativen Drücke nachgewiesen werden, da die Schwankungen um den Nullpunkt im Bereich der Meßgenauigkeit lagen und deshalb nicht als Zugspannungen identifiziert werden konnten.

Vogelpohl [5] beobachtet das Verhalten des Schmierfilms im Unterdruckgebiet an einem durchsichtigen Lager. Er beschreibt das Aufreißen des Schmierfilms: “Plötzlich entstanden bei einer bestimmten Exzentrizität die Blasen, und zwar kamen sie nicht von außen herein, sondern entstanden deutlich sichtbar mitten in der Ölschicht und zwar gerade dort, wo nach der Rechnung die Unterdruckspitze zu erwarten war, ,... . Mit wachsender Exzentrizität vergrößert sich das Kavitationsfeld, die äußere Begrenzungslinie ist stabil, ... ‚ die im Inneren sichtbaren Ölstreifen schwanken!“ Dieser Vorgang unterscheidet sich aber von den Kavitationserscheinungen im Wasser: "Beim Öl bleibt nach erfolgter Hohlraumbildung fast das ganze Volumen auch nach Stillsetzung der Apparatur zurück; mit dem Auftreten hinreichend großer Unterdrücke ist nämlich eine intensive Gasausscheidung verbunden ... . Es gelang allerdings auch, durch plötzliches sehr kräftiges Anrucken für den Bruchteil einer Sekunde Kavitationsblasen zu erzeugen, die bis auf einen verschwindend geringen Gasrest vollständig wieder zusammenfielen." Weiterhin berichtet Vogelpohl von Untersuchungen zum Verhalten von mittelschwerem Turbinenöl bei Unterdruck in einer Glasröhre. Dabei zeigten sich sowohl bei der Evakuierung der Glasröhren, in denen sich das Öl befand, als auch bei anschließenden Druckstößen durch Erschütterung irreversible Blasenbildungen, die auf Entgasung schließen lassen. Das geschah bei Drücken, die über dem Dampfdruck lagen, bei frischem Öl schon ab 5 N/cm².

Cole und Hughes [9] untersuchen die Ausbreitung des Schmierfilms in einem durchsichtigen Lager bei verschiedenen konstanten Drehzahlen, Belastungen und Ölzuführungsdrücken. Es zeigt sich, daß der Ölfilm hinter der minimalen Spaltdicke streifenweise aufreißt. Form und Ausbreitung des aufgerissenen Ölfilms ist variabel und reicht teilweise bis in den sich wieder verengenden Spalt. (Siehe dazu Abschnitt 11., Bild 30.1 und 30.2)

Gegenstand der Untersuchungen von Gnilke [15] ist das wechselnd belastete Gleitgelenk. Aufbauend auf die Überlegungen von Kornfeld stellt er theoretische Untersuchungen an über das Aufreißen des Schmierfilms mit den Annahmen, daß
1.) das Schmiermittel bei Zugbeanspruchungen verdampft, daß sich
2.) Gasblasen im Schmierfilm befinden, die kleiner sind als die Spalthöhe und daß sich
3.) Gasblasen im Öl befinden mit die Spalthöhe übersteigendem Durchmesser.
Dabei kommt er zu der Schlußfolgerung, daß im Gleitlager Bedingungen herrschen, die keine wesentlichen Zugspannungen im Schmierfilm zulassen. Die hauptsächliche Ursache dafür sind Gasblasen in der Größenordnung der Spaltdicke, die im Druckberg stark zusammengepreßt sind und deshalb kaum sichtbar sind. Nach seinen Rechnungen zerreißt eine Gasblase von 10 μm (entspricht etwa der minimalen Spalthöhe) bereits bei p=-1,3 N/cm².

Weiterhin beobachtet Gnilke das Verhalten des Schmierfilms in einem durchsichtigen, wechselnd belasteten Gleitgelenk. Dabei zeigt sich, daß beim Abheben des Zapfens während des Lastrichtungswechsels der Schmierfilm in ein stark verästeltes Gebilde zerfällt, während das Öl vom Rand her nur langsam nachströmt. Nach erneutem Wechsel der Belastungsrichtung schließt sich dieses Gebiet, vom Rand beginnend, wieder zu einem vollständigen Ölfilm.

Für das Nachströmen des Öls in das Unterdruckgebiet macht Guilke die Kapillarwirkung verantwortlich. Dabei hat er außer acht gelassen, daß das Druckgefälle zwischen dem Umgebungsdruck bzw. Zufuhrdruck und dem Unterdruck im Blasengebiet größer ist, als der Drucksprung infolge der Oberflächenspannung, den er selbst mit nur 1,3 N/cm² ab geschätzt hat.

Über das Verhalten der Schmierflüssigkeiten bei niedrigen Drücken im Gleitlager kann zusammengefaßt gesagt werden, daß es ausreichend bekannt und experimentell abgesichert ist: Der Schmierfilm kann keine bzw. keine nennenswerten Zugspannungen aufnehmen. Bei niedrigen Drücken reißt der Film streifenweise bzw. verästelt auf. Ursache dafür sind im Schmierfilm vorhandene Gasblasen, die sich ausdehnen, Gase, die in der Flüssigkeit gelöst sind und bei Unterdruck austreten, sowie Verdampfung. Welche Ursache vorherrschend ist, hängt von der Druckänderungsgeschwindigkeit und dem Zustand der Flüssigkeit ab. Der Einfluß der Oberflächenspannung beim Nachströmen der Schmierflüssigkeit ist im Vergleich zum Zufuhrdruck gering.

Diese Erkenntnisse sind bis jetzt noch nicht konsequent in die Berechnung der Gleitlager eingegangen. Selbst Autoren, die sich eingehend mit dem Verhalten des Schmiermittels im Unterdruckgebiet befaßt haben, griffen bei anschließenden Berechnungen auf die üblichen Randbedingungen zurück. Eine Ausnahme bildet Floberg [10], der ideale Kavitation annimmt und auf den einfachsten Fall, das unendlich breite, stationär belastete Lager anwendet, um die Gleitlagerreibung zu ermitteln.

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