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2 Stand der Erkenntnisse

2.1 Bisherige hydrodynamische Schmiertheorie und die verwendeten Randbedingungen

In der hydrodynamischen Schmiertheorie wird davon ausgegangen, daß der Schmierspalt vollständig von einer inkompressiblen, Newtonschen Flüssigkeit ausgefüllt ist. Die Strömung wird als kriechend angenommen. Die Aufstellung des Kräftegleichgewichts am Schmiermittelelement, bestehend aus Schub- und Druckkräften und die Anwendung der Kontinuitätsbedingung führen dann zur Reynolds‘schen Differentialgleichung für den Druckverlauf p(x,z,t) im Schmierspalt, die hier für das instationär belastete, endlich breite Lager angegeben ist.

Die Anwendung dieser Gleichung auf den gesamten Schmierspalt führt in der Regel in den Gebieten, wo sich der Spalt erweitert, zur Errechnung negativer Drücke, d.h. Zugspannungen in der Schmierflüssigkeit. Um das zu vermeiden, werden verschiedene Randbedingungen eingeführt ( Bild 23):

1. Sommerfeldsche Randbedingung: Der Druckberg beginnt an der Stelle der maximalen Spalthöhe. Der Druckberg endet an der Stelle der minimalen Spalthöhe

(2)         p(hmax) = 0

(3)         p(hmin) = 0

2. Reynolds‘sche Randbedingung: Der Druckberg beginnt an der Stelle der maximalen Spalthöhe. Der Druckberg endet an der Stelle x2 hinter der Stelle der minimalen Spalthöhe, wo Druck und Druckanstieg gleichzeitig Null sind

(2)         p(hmax)= 0

(4)         p(x2) = 0
        und         dp(x2)/dx = 0

3. Randbedingung: Die Berechnung des Drucks erfolgt über die gesamte Spaltfläche; anschließend werden alle negativen Werte Null gesetzt.

Die erste und die dritte Randbedingung verletzen bereits für den stationären Fall die Kontinuitätsbedingung am Druckbergende (Überlegungen dazu im Abschnitt 5.5) Das wird durch die Forderung des glatten Auslaufes der Reynolds'schen Randbedingung berücksichtigt. Die Einhaltung dieser Bedingung erfordert aber einen erhöhten Aufwand, da das Ende x2 des Druckberges stets iterativ bestimmt werden muß. Deshalb werden die erste und die dritte Randbedingung häufiger verwendete.

Bei der Berechnung instationär belasteter Lager wird die Anwendung der Randbedingungen problematisch, da sich hier die Druckkomponenten der Keilwirkung (Druckaufbau durch Rotation der Welle, repräsentiert durch das Glied (uw/2)·(dh/dx) der Reynolds‘schen Gleichung) und der Verdrängungswirkung (Druckaufbau durch Annäherung der Welle an die Lagerschale, repräsentiert durch das Glied dh/dt) überlagern und die Druckberggrenzen sich ständig verschieben. Die dritte Randbedingung läßt sich dabei formal am einfachsten anwenden. Sie ist hier jedoch auch fehlerhaft, denn die berechneten negativen Drücke wirken sich auf den berechneten Druck im positiven Bereich aus und verfälschen dadurch das Ergebnis, auch wenn sie anschließend Null gesetzt werden.

Da die Reynolds‘sche Differentialgleichung linear ist, kann man eine Gesamtlösung durch Überlagerung von Teillösungen erzeugen. Häufig werden deshalb die Komponenten der Keilwirkung und der Verdrängungswirkung einzeln berechnet, wobei für jede Komponente extra Randbedingungen verwendet werden. Dabei wird für die reine Verdrängung eine neue Randbedingung eingeführt:

4. Randbedingung: Der Druckberg beginnt 90° vor und endet 90° hinter der minimalen Schmierspalthöhe.

(5)         p(x0-π·r/2) = 0

(6)         p(x0+π·r/2) = 0

wobei x0 = x(hmin)

Die anschließende Überlagerung der Druckkomponenten ist dann jedoch nicht mehr richtig (Bild 1).

Diese Methode wird häufig bei der Berechnung von Verlagerungsbahnen aus einem vorgegebenen Belastungsverlauf angewendet, um die Berechnung zu vereinfachen.

Auf diese Weise wurde die Reynolds‘sche Schmiertheorie bisher im allgemeinen auf Lager mit kreisrunder Welle und kreisrunder Lagerschale angewendet. Es ist zu erwarten, daß bei einer beliebigen Spaltkontur durch unrunde Welle und unrunde Schale bei formaler Anwendung der Randbedingungen sich der Fehler weiter vergrößert.

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