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12 Das instationär belastete Lager

12.1 Das wechselnd belastete Geleitgelenk ohne Drehung

Das wechselnd belastete Gleitgelenk war schon mehrfach Gegenstand der Untersuchungen, weil hier der Druckaufbau nur infolge der Verdrängungswirkung des sich verkleinernden Spaltvolumens erfolgt und die Anwendung der Reynolds‘schen Schmiertheorie recht einfach ist. Außerdem liefert es die Verdrängungskomponente, die bei vorgegebener instationärer Belastung zur Berechnung der Verlagerungsbahn benutzt wird. Dabei geht die bisherige Theorie aber davon aus, daß bei Lastrichtungswechsel nach Umkehr der Verlagerungsrichtung der Bereich des Schmierspalts, der vorher Unterdruckgebiet war, sofort vollständig mit Öl gefüllt ist. Diese Annahme soll überprüft werden.

Für ein halbumschlossenes, unendlich breites Gleitgelenk wurde folgende Verlagerungsbahn vorgegeben

(134)       E = 0,8·cos(2·π·T)

(135)       γ = 0

Es wurden der Druckverlauf P(X,T), der örtliche Füllungsgrad F(X,T) und die Flüssigkeitsverteilung FH(X,T) nach Modell 1 berechnet. Bild 33 zeigt die Ergebnisse für eine vollständige Lastperiode T= 0 bis 1 (nach einer Anlaufrechnung von T= -0,5 bis 0). Die linke Seite des Diagramms zeigt die Ergebnisse im Zeitraum 0 bis 0,5 ‚ in dem sich die Schmierspalthöhe vergrößert. Es zeigt sich, daß der Nachstrom von den Schmiernuten her nur zögernd erfolgt. Dies wird bestätigt durch die Experimente von Gnilke [15] am durchsichtigen, wechselnd belasteten Gleitgelenk.(Leider sind die Versuche nicht quantitativ auswertbar.) Die rechte Seite des Diagramms zeigt die Verhältnisse im Zeitraum 0,5 bis 1 ‚ während sich der Schmierspalt wieder verengt. Der Ölzustrom geht zunächst weiter. Danach wird die zugeströmte Schmiermittelmenge breitgequetscht bis wieder ein vollständiger Schmierfilm entstanden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt erfolgt kein nennenswerter Druckaufbau. Im Diagramm für den Druckverlauf F(X) sind die Druckverläufe eingetragen, wie sie sich bei unvollständig gefülltem Schmierspalt entsprechend Modell 1 ergeben (Vollinie) und zum Vergleich, wie sie sich nach der bisherigen Theorie ergeben würden bei vollständig gefülltem Spalt (Strich-Punkt-Linie). Der eigentliche Druckaufbau erfolgt erst nach Bildung eines geschlossenen Schmierfilms und stimmt dann mit der bisherigen Theorie überein.

Bild 34 zeigt für das gleiche Beispiel den zeitlichen Verlauf der Sommerfeldzahl So(T) und die Gesamtflüssigkeitsmenge FHges(T) im Schmierspalt. Zum Vergleich ist der Verlauf der Sommerfeldzahl bei gleicher Verlagerungsbahn und der Annahme eines ständig gefüllten Schmierspalts eingetragen (Strich-Punkt-Linie). Es zeigt sich ein erheblicher Tragfähigkeitsverlust infolge der verzögerten Schmierspaltfüllung. Im praktischen Fall ist jedoch nicht die Verlagerungsbahn vorgegeben, sondern die Lagerbelastung. Hier würde nach Umkehr der Lastrichtung nicht ein verspäteter Druckaufbau stattfinden, sondern die Welle würde soweit durchfallen, bis die Ölmenge, die zu diesem Zeitpunkt vorhanden ist, einen vollständigen Film gebildet hat. Das bedeutet eine Verringerung der Impulsaufnahmefähigkeit des Schmierfilms durch die verzögerte Ölzufuhr und führt zu einer größeren Exzentrizität.

Der praktische Wert dieser Untersuchungen würde sich erhöhen, wenn die Anwendung der erweiterten Theorie im Zusammenhang mit einer Verlagerungsbahnberechnung aus einem vorgegebenen Belastungsverlauf erfolgen würde.

Da die erweiterte Schmiertheorie die Ölnachströmverhältnisse berücksichtigt, bietet sich die Möglichkeit, die Höhe des Ölzufuhrdrucks und die Lage der Schmiernuten zu optimieren. Dazu wurden am Beispiel des wechselnd belasteten Gleitgelenks Variationsrechnungen durchgeführt (Bild 35).

Bei gleicher Schmiernutanordnung (halbumschlossenes Lager) und gleicher Verlagerungsbahn wurde der Zufuhrdruck variiert. Bei der Variante mit dem größeren Zufuhrdruck ist die Impulsaufnahme pro Lastspiel erwartungsgemäß größer als bei der mit kleinerem Zufuhrdruck. Dieser Unterschied ist allerdings nur zum geringen Teil auf einen erhöhten hydrostatischen Druckanteil zurückzuführen. Er beruht hauptsächlich auf der besseren Ölzuführung, was zu einem zeitigeren Druckaufbau führt. Das Optimum für den Zufuhrdruck würde dann dort liegen, wo der konstruktive Aufwand zur Erhöhung des Zufuhrdrucks gerade noch eine ausreichende Erhöhung der Tragfähigkeit bringt.

Bei gleichem Ölzuführungsdruck und gleicher Verlagerungsbahn wurde die Lage der Schmiernuten variiert (halbumschlossenes und ein Drittel umschlossenes Lager). Nach der bisherigen Theorie würde sich für das halbumschlossene Lager aufgrund der größeren tragenden Fläche eine größere Impulsaufnahme ergeben. Die Berechnung nach der erweiterten Theorie ergibt aber eine höhere Impulsaufnahme für das Lager mit kleinerer tragender Fläche. Die Ursache für die größere Impulsaufnahme ist die verbesserte Nachstrombedingung durch den kürzeren Strömungsweg. Der Vorteil des zeitigeren Druckaufbaus ist in diesem Fall größer als der Nachteil der kleineren tragenden Schmierspaltfläche. Eine weitere wesentliche Verkleinerung der Spaltfläche würde den Vorteil der verbesserten Nachströmung allerdings wieder zunichte machen. Dadurch ist die Möglichkeit der Bestimmung eines Optimums gegeben.

Die Untersuchungen wurden hier zur Ableitung von Tendenzen nur am unendlich breiten Lager durchgeführt. Falls derartige Untersuchungen für konkrete Lagerkonstruktionen ausgeführt werden sollen, wo es auf quantitativ richtige Ergebnisse ankommt, ist die Berücksichtigung der endlichen Breite erforderlich, da der Lagerrand als Stelle des Ölzuflusses und -abflusses Bedeutung hat. Dafür wurden ebenfalls die rechentechnischen Voraussetzungen geschaffen. Bild 36 zeigt für ein endlich breites, halbumschlossenes Gleitgelenk mit vorgegebener Verlagerungsbahn (wie oben) den zeitlichen Verlauf der Sommerfeldzahl So(T) und die Gesamtflüssigkeitsmenge FHges(T), berechnet nach Modell 1. Es zeigt sich qualitativ das gleiche Verhalten wie beim unendlich breiten Lager. Die Ölzufuhr verbessert sich etwas durch die Berücksichtigung des Lagerrandes.

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