9.3 Problem der Bestimmung der Parameter für ein disaggregiertes Modell einer Marktwirtschaft
Ein naheliegender Kritikpunkt gegen den Ansatz eines disaggregierten Modells wurde bereits in der Argumentation gegen eine zentrale Planwirtschaft erwähnt. Das ist das Problem der exakten Bestimmung der Unzahl von Parametern und der anschließende Rechenaufwand, wenn man mit diesem Modell eine tatsächlich existierende Volkswirtschaft ausreichend genau simulieren will. Dagegen gibt es zwei Einwände.
Erstens ist dieses Modell nicht nur der Versuch, eine Marktwirtschaft möglichst im Detail exakt abzubilden. Zur Zeit ist es in erster Linie ein methodisches Modell. Durch seine Art der Modellbildung sind nach meiner Meinung auch mit relativ einfachen Fallbeispielen bereits interessante Erkenntnisse möglich. Ich hoffe, dass ich das mit meinen ausgewählten Untersuchungen eindrucksvoll demonstrieren konnte.
Zweitens ist es natürlich trotz des zu erwartenden Aufwands für den interessierten Wissenschaftler eine Herausforderung, mit solchen interessanten Modellansätzen zu versuchen, tatsächliche Marktwirtschaften möglichst realitätsnah abzubilden. Allerdings können solche Versuche nur große wissenschaftliche Einrichtungen in Verbindung mit Veränderungen in der statistischen Datenerfassung in Angriff nehmen. Um diese Bereitschaft zu finden, muss die Akzeptanz dieser Modellansätze in der etablierten Wirtschaftswissenschaft gegenüber den makroökonomischen Sektormodellen noch wesentlich aufgewertet werden. Trotz der Ablehnung der generellen Aggregation gesamter Wirtschaftsbereiche ist es natürlich bei der konkreten Anwendung disaggregierter Modelle entsprechend den begrenzten Möglichkeiten auch notwendig und zulässig Aggregationen vorzunehmen. Z.B. sind Brot und Brötchen streng genommen verschiedene Waren, es wird aber wohl keiner bestreiten, dass man natürlich in einem gesamtgesellschaftlichen Modell diese zu Backwaren zusammenfassen kann. Man muss nur verantwortungsvoll damit umgehen und das Prinzip dabei nicht aus den Augen verlieren. Man darf Äpfel und Industrieanlagen ebend nicht zusammenfassen, so dass diese Objekte zum Schluss nur noch gemeinsam haben, Waren zu sein.
Solche gesamtwirtschaftlichen Modelle werden neben dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn auch notwendig, um den Wirtschaftspolitikern für die oben erwähnten planwirtschaftlichen Eingriffe in Ausnahmesituationen die notwendigen Entscheidungshilfen zu geben. Deshalb lohnt es sicher, in derartige Projekte einen erheblichen Aufwand zu investieren. Die bisher verwandten Sektorenmodelle, auf deren Grundlage die "sechs Weisen" der Bundesregierung halbjährlich versuchen, das Orakel der Prozente des Wirtschaftswachstums wahrzusagen, sind dabei allerdings ein schlechtes Beispiel.
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