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9 Einige kritische Bemerkungen und Schlussfolgerungen zu den entwickelten Modellen und Ausblick auf weitere erforderliche Untersuchungen

Ergänzend zu den Erläuterungen und Schlussfolgerungen in den einzelnen Abschnitten sollen zum Abschluss noch einige Ergänzungen nachgetragen werden und Ausblicke auf weitere notwendige Untersuchungen aufgeführt werden.

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9.1 Interpretationen des Modells einer anderen Marktwirtschaft

Ziel meiner Untersuchungen sind Vorschläge für eine tatsächlich soziale Marktwirtschaft. Da nimmt sich die Bezeichnung eine "andere Marktwirtschaft" für mein Studienmodell recht nichtssagend aus. Was für eine Marktwirtschaft repräsentiert den nun mein "anderes" Modell ? Bezogen auf seinen sozialen Charakter ist es noch recht neutral.

Es ist sogar relativ neutral in bezug auf die Frage, ob es eine kapitalistische Marktwirtschaft repräsentiert. Es wurde in diesem Modell das Eigentum an den Produktionsmitteln konsequent von den Unternehmen getrennt. Dieser Tatbestand ist aber in unserer realen kapitalistischen Marktwirtschaft durch den Kapitalmarkt bereits üblich. Dass es heute immer noch einige Kapitaleigentümer gibt, die sich selbst als die Geschäftsführer ihrer Unternehmen angestellt haben, kann man da als unbedeutende Marotte abtun. Wer in diesem Modell nun tatsächlich der Eigentümer der aggregierten Produktionsmittelwerte ist, lässt sich hinter der abstrakten Form des kapitalumverteilenden Subjekts des Modells noch nicht erkennen.

Die Merkmale, die auf eine soziale Absicht dieses Systems hindeuten, sind erstens, dass strenge Preiskalkulationsrichtlinien für die Verkaufspreise der Unternehmen festgelegt sind, so dass sich kein Unternehmen durch eine marktbeherrschende Situation einen Zusatzgewinn über der gesamtgesellschaftlichen Wachstumsrate verschaffen kann, und zweitens, dass der Kapitalgeber auch ohne Gewinn investiert. Er achtet lediglich darauf, dass sein Kapital nicht nutzlos in Unternehmen herumliegt, die nicht ausgelastet sind, sondern stets dort investiert wird, wo aufgrund der Nachfrage Produktionserweiterungen erforderlich sind. Diese beiden recht geringfügig erscheinenden Abweichungen von einer kapitalistischen Marktwirtschaft bewirken offenbar schon, dass es möglich wird, bei nicht zu großen Abweichungen vom Optimum, eine Selbstoptimierung zu erreichen, wobei sogar ein System ohne Wachstum stabil sein kann. Allerdings dürfte diese "kleine" Abweichung des dauerhaften Verzichts auf einen Gewinn für den Kapitalisten eine unzumutbare Härte sein, die seinem Kapitalistendasein keinen Sinn mehr gibt. Es stellt sich also doch die Eigentumsfrage, auch wenn wir nur eine soziale Marktwirtschaft an streben und keine staatliche Planwirtschaft. Es scheint mir allerdings nicht besonders sinnvoll mit der Aufgabe der uneigennützigen Produktionsmittelverteilung den "volkseigenen" Staat zu betrauen. Der hat sich in der Vergangenheit bisher in beiden Systemen stets unflexibel, selbstherrlich und von einem recht einnehmendem Wesen gezeigt. Mein Vorschlag dazu ist im Band 3 nachzulesen.

Die Forderung, konsequent Kalkulationsrichtlinien einzuhalten, wie sie in diesem Modell angenommen ist, unterscheidet sich wesentlich von der realsozialistischen Praxis der Preisfestlegung durch staatliche Ämter für Preise, deren Unfähigkeit ich selbst konkret erlebt habe. Die Unternehmen können ihre konkreten Einzelpreise eigenverantwortlich Festlegen, sie müssen eigentlich nur nachweisen, dass ihre Einnahmen in der gesamtbetrieblichen Bilanz auch mit den Kosten übereinstimmen. Zwischen Käufer und Verkäufer wird nicht mehr um den Preis gefeilscht. Der eigentliche Druck auf die Preise muss in der Weise erfolgen, dass die Unternehmen mit möglichst niedrigen Kosten (und nicht mit ruinösen Preisen) um die Aufträge bzw. um den Absatz konkurrieren. Wenn dabei die Preise zu Anpassung an ein optimales Preissystem zwar flexibel sein sollen, aber in ihrem durchschnittlichen Niveau konstant, muss gesichert sein, dass die Unternehmen zum drücken ihrer Kosten nicht an der Lohnschraube drehen können. In dem Modell ist das durch die Konstanz des Durchschnittslohnes gesichert, der in diesem Modell ja den Basispreis des gesamten Preissystems darstellte. Das ist übrigens die dritte wesentliche Abweichung von einer kapitalistischen Marktwirtschaft. Die Umsetzung einer solchen Forderung in einer realen Wirtschaft hat allerdings noch einige erhebliche Konsequenzen, die noch zu bedenken sind.

Insgesamt zeigt sich hiermit, dass das Modell einer anderen Marktwirtschaft mit einigen weiteren Ergänzungen und Präzisierungen eine Basis für eine stabile soziale Marktwirtschaft ergeben könnte, über die es sich lohnt intensiv weiter nachzudenken.

Zum Schluss noch eine Überlegung in eine andere Richtung: Es ist bekannt, dass die kapitalistische Marktwirtschaft zu krisenhaften Instabilitäten neigt. Allerdings sind diese nicht so radikal wie die Instabilität meines ersten Modells einer kapitalistischen Marktwirtschaft mit Preisen nach Angebot und Nachfrage. Die Erfahrungen mit dem Modell einer andern Marktwirtschaft legen die Vermutung nahe, dass in der kapitalistischen Praxis die Preisbildung zwischen dem Prinzip Kostenpreise plus marktüblichen Gewinnzuschlag und dem Prinzip Angebot und Nachfrage pendelt. Ich könnte mir deshalb vorstellen, dass man das Modell einer anderen Marktwirtschaft auch variieren kann in die Richtung, dass es die kapitalistische Marktwirtschaft realistischer darstellt als mein erstes Modell. Das wäre sicher eine interessante Aufgabe. Ich werde meine Untersuchungen in die andere Richtung lenken. Vielleicht findet sich aber ein Leser, der die Chancen der kapitalistischen Marktwirtschaft noch optimistisch sieht, und versucht es einmal damit. Das Ergebnis würde mich auch interessieren.

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