zurück   weiter

7.3 Teilbeschäftigung

Bisher wurde immer angenommen, dass die Gesellschaft nach Vollbeschäftigung strebt. Das ist aus mehreren Gründen sicher auch sinnvoll. Bei niedriger Produktivität müssen möglichst viele Menschen arbeiten, um die Bevölkerung mit den notwendigen Konsumgütern zu versorgen. Bei hoher Produktivität kann durch Vollbeschäftigung ein großer zusätzlicher Konsum realisiert werden.

Es kann aber auch Gründe geben keine Vollbeschäftigung anzustreben. Ein Grund könnte zum Beispiel sein, dass die Bevölkerungszahl an die Grenze der Belastbarkeit der natürlichen Ressourcen gestoßen ist. Es könnten dabei z.B. noch alle Menschen mit den notwendigen Konsumgütern versorgt werden. Die Ressourcen würden aber nicht ausreichen für die Produktion der Konsumgüter des maximalen Konsums, der entsprechend der aktuellen gesamtgesellschaftlichen Arbeitsproduktivität möglichen wäre. In diesem Fall muss sich die Gesellschaft entscheiden, ob sie die Bevölkerungszahl halten will und dafür auf zusätzlichen Konsum verzichtet und dementsprechend auch auf Vollbeschäftigung verzichtet. In welcher Weise bei Teilbeschäftigung die Arbeit und dementsprechend die Konsumgüter gerecht verteilt werden, soll hier nicht diskutiert werden. Es soll hier der mögliche Entscheidungsspielraum ermittelt werden, in dem sich die Gesellschaft bewegen kann, sofern ihre wirtschaftspolitischen Instrumente auch dazu in der Lage sind, eine möglichst demokratisch getroffene gesamtgesellschaftliche Entscheidungen durchzusetzen.

Mit Hilfe des Lösungsverfahrens der linearen Optimierung gemäß Abschnitt 4 kann bei vorgegebenem minimalen Bevölkerungswachstum von z.B. fa=1 und vorgegebenem minimalen zusätzlichen Konsum von fl=0 errechnet werden, bei welcher minimalen Beschäftigung raeg gerade noch eine Vollversorgung der Bevölkerung mit den notwendigen Konsumgütern möglich ist.

Das wurde für unser Demonstrationsbeispiel errechnet. Diese minimale Beschäftigungsrate liegt bei raegmin = 0,62 . Jetzt haben wir mit 0,62£ raeg£ 1 ein Intervall ermittelt, in dem die Beschäftigungsrate variieren kann und gleichzeitig eine optimale Wirtschaftsstruktur gefunden werden kann. Für dieses Intervall macht es wieder Sinn (analog Abschnitt 4.4), zu ermitteln welche maximalen Faktoren des zusätzlichen Konsums flmax(raeg) als Funktion der Beschäftigungsrate möglich sind.

Das wurde für das Demonstrationsbeispiel gemacht und in Bild 43 dargestellt. Innerhalb des farbigen Bereichs sind bedarfsgerechte Wirtschaftsstrukturen mit Vollversorgung rak=1 und konstanter Bevölkerungszahl fa=1 möglich. Vergleiche dazu auch Bild 5.

Wenn wir nun Bild 5 und Bild 43 gemeinsam betrachten, erkennen wir, dass diese beiden Diagramme zwei Grenzen eines dreidimensionalen Entscheidungsraumes darstellen, der über dem Definitionsbereich der Variablen fa und raeg berechnet werden kann. Im Bild 44 ist dieser Entscheidungsraum für unser Demonstrationsbeispiel dargestellt. Die Balken zeigen den Bereich an, wo Vollversorgung rak=1 möglich ist. Die Höhe der Balken zeigt den jeweils maximal möglichen zusätzlichen Konsum an.

Schlussfolgerung: Sicher ist es mit diesem Lösungsverfahren noch nicht möglich, für unsere reale Gesellschaft mit ausreichender Genauigkeit einen solchen Entscheidungsraum zu berechnen, wie wir es für unser einfaches Demonstrationsbeispiel ebend gemacht haben. Anhand solcher prinzipieller Modellrechnungen ist es uns aber möglich, Entscheidungsstrategien abzuleiten. Hier kann man unterscheiden lernen zwischen den Sachzwängen, die uns die Ökonomie tatsächlich vorgibt, und den nicht ökonomisch vorgegeben Entscheidungsmöglichkeiten, die die Gesellschaft besitzt. Diese Entscheidungsfreiheit sollten wir uns nicht von denen streitig machen lassen, die heute noch die ökonomische Macht besitzen und mit fadenscheinigen "ökonomischen Sachzwängen" weiter ihre Vorteile sichern wollen.

zurück   weiter