4.4 Berücksichtigung des Bevölkerungswachstums fa >1
Bisher wurde mit dem Demonstrationsbeispiel nur eine optimale Wirtschaftsstruktur ohne Bevölkerungswachstum (fa=1) dargestellt. Der Faktor fa des Bevölkerungswachstums wird im Modell als externer Parameter angesehen, der nicht direkt durch wirtschaftliche Ereignisse beeinflusst wird.
Um Missverständnissen vorzubeugen sei hier bemerkt, dass der Wachstumsfaktor fa nicht mit dem Faktor fae ,dem tatsächlichen Wachstum der Bevölkerung, verwechselt werden darf. Mit fae=rak* fa wird ja berücksichtigt, dass durch verhungern nicht versorgter Arbeiter das tatsächliche Bevölkerungswachstum gegenüber dem sozial und biologisch bedingten freiwilligen Wachstum reduziert wird.
Man muss davon ausgehen, dass ein Wachstumsfaktor fa=1 nur ein seltener Sonderfall ist. Natürlicherweise streben alle Lebewesen danach sich zu vermehren. Da machen die Menschen prinzipiell keine Ausnahme. Wenn außerdem in einer sozialen Gesellschaft angestrebt wird, die Regelung der Bevölkerungszahl nicht dem Hunger zu überlassen und diese durch sozialpolitische Maßnahmen auf humanem Wege zu beeinflussen, entsteht die Frage, welches Bevölkerungswachstum die Leistungsfähigkeit der Produktivkräfte verträgt.
Deshalb soll nun der Frage nachgegangen werden, welches maximale Bevölkerungswachstum möglich ist. Dabei soll Vollversorgung und Vollbeschäftigung nicht aufgegeben werden.
In der Formulierung der Nebenbedingungen bedarfsgerechter Produktion für den Simplexalgorithmus, Gleichung (26), wurde der Faktor fa bereits berücksichtigt. Analog der Maximierung des Faktor fl des zusätzlichen Konsums kann auch fa durch systematisches Variieren iterativ bestimmt werden. Dabei muss dann allerdings der Faktor fl konstant gehalten werden. Da vermutet wird, dass ein maximales Bevölkerungswachstum dann möglich ist, wenn ein möglichst geringer zusätzlicher Konsum stattfindet, wird deshalb fl=0 gesetzt.
Das Ergebnis ist aber zunächst unbefriedigend, denn trotz vollständigen Verzichts auf zusätzlichen Konsum ergibt die Berechnung den Wachstumsfaktor fa=1, also kein Wachstum.
Wie gesagt besteht eine optimale Wirtschaftsstruktur unter anderem darin, dass die Vollversorgung der Bevölkerung und die dazugehörige bedarfsgerechte Produktion langfristig erhalten bleibt, in der mathematisch konsequenten Idealisierung heißt das unendlich lange. Und damit entsteht ein Problem mit dem Gut i3=6 , dem Grund und Boden, der im Demonstrationsbeispiel nicht erzeugt werden kann. Das Programm hat auch prompt die einzige unendlich existenzfähige Lösung ausgespuckt, nämlich fa=1.
Wie die Menschheit im Rahmen des technischen Fortschritts durch intensivere Nutzung des Grund und Bodens oder eventuell durch ausschwärmen in den Weltraum das Problem hinausschieben kann, ist sicher in Zukunft eine interessante Frage der weiteren Existenz der Menschheit, hier aber nicht Gegenstand der Untersuchungen.
Im vorhergehenden Abschnitt haben wir bereits errechnet, welche Bevölkerungszahl bei optimaler Produktionsstruktur und maximalem zusätzlichen Konsum maximal versorgt werden kann. Das sind 5417 Arbeiter. Wenn wir bestrebt wären, diese Zahl möglichst schnell zu erreichen, macht die Frage nach dem maximalen zeitlich befristeten Wachstum doch einen Sinn, so lange die natürliche Ressource Grund und Boden nicht voll ausgenutzt ist. Dafür wird nun die Güterart i3=6, der Grund und Boden, aus der Optimierungsrechnung ausgeschlossen, wissend dass das Ergebnis dann nur ein zeitweilig realisierbares ist.
Bei vollständigem Verzicht auf zusätzlichen Konsum fl=0, Vollversorgung rak=1 und Vollbeschäftigung raeg=1 lässt in unserem Demonstrationsbeipiel die Produktivität einen Bevölkerungswachstumsfaktor von fa=1,0159 im Reproduktionszyklus zu, einschließlich des dafür nötigen Wirtschaftswachstums.
Jetzt haben wir mit 1£fa£ 1,0159 ein Intervall ermittelt, in dem das Bevölkerungswachstum variieren kann und gleichzeitig eine optimale Wirtschaftsstruktur gefunden werden kann. Für dieses Intervall macht es Sinn, zu ermitteln welche maximalen Faktoren des zusätzlichen Konsums flmax(fa) als Funktion des Bevölkerungswachstums möglich sind.
Das wurde für das Demonstrationsbeispiel gemacht und in Bild 5 dargestellt. Innerhalb des farbigen Bereichs sind bedarfsgerechte Wirtschaftsstrukturen mit Vollbeschäftigung und Vollversorgung möglich. Wirtschaftsstrukturen außerhalb sind nicht dauerhaft möglich.
Nachfolgend könnte man auch die Annahmen der Vollbeschäftigung raeg=1 und/oder der Vollversorgung rak=1 fallen lassen und damit mögliche Wirtschaftsstrukturen untersuchen. Da hier aber zunächst die Methoden der Modellierung und Berechnung dargestellt werden sollen, wird das auf spätere Kapitel verschoben. (Siehe Abschnitt 7.3)
Erste Schlussfolgerungen: Die ersten Untersuchungen am Demonstrationsbeispiel zeigen bereits, dass eine Gesellschaft die Möglichkeit haben kann, innerhalb eines beachtlichen Entscheidungsspielraumes eine optimale soziale Wirtschaftsstruktur zu finden. Die ökonomischen Sachzwänge sind unter anderem gegeben durch die Begrenzung flmax(fa). Im Bereich unterhalb der Funktion flmax könnte die Gesellschaft aus nicht ökonomischen Erwägungen heraus ihre optimale Wirtschaftsstruktur relativ frei wählen. zurück weiter