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4 Berechnung optimaler Wirtschaftsstrukturen

Mit dem Modell einer kapitalistischen Marktwirtschaft konnte keine optimale Wirtschaftsstruktur erreicht werden. In dem Demonstrationsbeispiel wurde aber bereits ein Parametersatz für eine optimale Struktur der Produktivkräfte, ein System optimaler Preise und optimale Besitzverhältnisse angegeben, die zusammen eine insgesamt optimale Struktur einer Marktwirtschaft ergaben. Wie diese Parameter berechnet wurden, soll nun nachgeholt werden

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4.1 Aufgabe einer Volkswirtschaft und Ableitung der Optimierungskriterien

Nun stellt sich die Frage: Was erwarten wir von einer optimalen Volkswirtschaft? Im folgenden Abschnitt sollen deshalb die Optimalitätskriterien verbal formuliert werden.

Solange wir den Anspruch nicht aufgegeben haben, ein soziales Wirtschaftssystem zu entwickeln, ist das erste Kriterium an eine optimale Wirtschaftsstruktur die vollständige Versorgung der gesamten Bevölkerung mit den notwendigen Konsumgütern. Dazu gehört sowohl die Produktion des bedarfsgerechten Sortiments der Konsumgüter als auch die Produktion der dazu notwendigen Produktionsmittel. Dabei muss gewährleistet werden, dass diese Bedingung nicht nur im aktuellen Reproduktionszyklus erfüllt wird, sondern auch in Zukunft realisierbar bleibt.

Der Wachstumsfaktor fa einer voll versorgten Bevölkerung ist bezogen auf die Volkswirtschaft eine gegebene (exogene) Größe, die von sozio-kulturellen und biologischen Faktoren abhängt. Deshalb muss bei einem gegebenen Wachstumsfaktor fa>1 durch eine optimale Wirtschaftsstruktur ein entsprechendes Wachstum der Produktion der notwendigen Konsumgüter erfolgen und dazu ein entsprechendes Wachstum der Produktionskapazitäten, sowohl der Konsumgüterproduzenten als auch der Produktionsmittelproduzenten. Ist die Wirtschaft aus objektiven Gründen (Umweltbelastung oder nicht ausreichende Produktivität) dazu langfristig nicht in der Lage, muss durch die Gesellschaft die Wachstumsrate der Bevölkerung durch humane sozialpolitische Maßnahmen an die objektiven Möglichkeiten der Wirtschaft angepasst werden. Das ist aber keine Aufgabe der Wirtschaft sondern der Politik und soll deshalb hier nicht weiter besprochen werden. Nur diese zwei Bemerkungen dazu: 1. Wenn die Politik ein derartiges Problem nicht lösen würde, würde das Problem durch die wirtschaftlichen Bedingungen früher oder später rigoros gelöst. Dann könnte aber nicht mehr von einer sozialen Wirtschaft die Rede sein. 2. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass immer die objektiven wirtschaftlichen Möglichkeiten die Ursache für Armut und das Verhungern von Menschen sind. Die wirtschaftswissenschaftlichen Voraussetzungen zu schaffen, um das eine von dem anderen zu unterscheiden, ist unter anderem auch Ziel meiner Untersuchungen.

Ein zweites Kriterium ist die maximale bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit zusätzlichen Konsumgütern. Nach Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse kann dann ein noch vorhandenes Potential der Produktivkräfte bis zur vollen Auslastung zur bedarfsgerechten Produktion von zusätzlichen Konsumgütern dienen. Dabei natürlich auch wieder unter Berücksichtigung der Produktion der dazu notwendigen Produktionsmittel.

Da die Wirtschaftsgüter nach meiner Meinung nicht durch eine allgemeine Wertfunktion zu einem einheitlichen Wirtschaftsgut zusammengefasst werden können (Aggregation der Wirtschaftsgüter), erscheinen in den Untersuchungen grundsätzlich Gütersortimente. Deshalb spielt bei allen Überlegungen immer die Frage der Bedarfsgerechtigkeit eines vorhandenen, eines produzierten oder eines verteilten Sortiments eine Rolle. Deshalb kann man die Bedarfsgerechtigkeit des produzierten Gütersortiments als das dritte Kriterium einer optimalen Wirtschaftsstruktur ansehen.

Diese Bedarfsgerechtigkeit hat zwei Seiten:

1. Falls ein nicht bedarfsgerechtes Sortiment produziert wird, kann nur der bedarfsgerechte Anteil aus diesem Sortiment verbraucht bzw. benutzt werden. Damit wäre die Produktion des nicht benötigten Restes eine Verschwendung von Arbeitskraft, von natürlichen Ressourcen und von Produktionsmitteln, die wiederum bereits geleistete Arbeit und natürliche Ressourcen enthalten.

2. Falls ein nicht bedarfsgerechtes Sortiment produziert wird und das nicht nur ausnahmsweise und nur kurzzeitig sondern permanent, dann haben wir ein Umweltproblem. Denn die Produkte, die z.Z. immer mehr produziert werden und die keiner braucht, die auch in keinen Produktionsprozess wieder eingehen bzw. nur teilweise, nennen wir Abfall. Der belastet in Zukunft immer mehr unsere Umwelt . Die Forderung, dass eine optimale Wirtschaftsstruktur auch langfristig realisierbar ist, verbietet die Produktion von Abfall eigentlich generell, verlangt aber mindestens eine Minimierung. Aktuelle Entwicklungstendenzen der Weltwirtschaft zeigen, dass diese Seite des dritten Optimalitätskriteriums immer mehr an Bedeutung gewinnt. Das geht so weit, dass in dem Fall, wo das Kriterium der Bedarfsgerechtigkeit mit dem Kriterium der Maximierung des zusätzlichen Konsums kollidieren, dem Kriterium der Bedarfsgerechtigkeit (Abfallvermeidung) der Vorrang gegeben werden muss. Das soll in späteren Berechnungsbeispielen demonstriert werden.

Bleibt noch die Frage nach der Vollbeschäftigung. Vollbeschäftigung ist eigentlich keine notwendige Bedingung einer optimalen Wirtschaftsstruktur. Es ist nicht zu erwarten, dass bei Vollversorgung mit notwendigen Konsumgütern und anerkannter Weise maximiertem zusätzlichem Konsum die Arbeiter auf Vollbeschäftigung bestehen werden. Das Beschäftigungsproblem, dass wir in der kapitalistischen Marktwirtschaft haben, ist eigentlich ein Versorgungsproblem. Da die Versorgung mit Konsumgütern über den Lohn an die Beschäftigung gebunden ist, was prinzipiell richtig ist, wird aus einer Nichtvollbeschäftigung eine Nichtvollversorgung, insbesondere weil die, die Arbeit haben, möglichst viel Arbeiten sollen und die anderen gar nicht. Hinzu kommt, dass die kapitalistische Marktwirtschaft durch ihre Neigung zur Kapitalkonzentration und scheinbarer Überproduktion zur Blockierung der Wertzirkulation führt und damit auch zur Blockierung des materiellen Reproduktionsprozesses, damit zur unnötigen Nichtvollbeschäftigung und damit zur Nichtvollversorgung. Darüber ist aber später noch ausführlicher anhand der Modellrechnungen zu sprechen.

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