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8 Der zusätzliche Konsum als materielle Basis eines nicht-marktwirtschaftlichen Gesellschaftsbereichs

In den bisherigen Ausführungen wurde gelegentlich vom zusätzlichen Konsum gesprochen, in Abgrenzung zu dem notwendigen Konsum, der erforderlich ist, zur einfachen Reproduktion der Arbeitskräfte als auch der Gesellschaft insgesamt, einschließlich der erweiterten Reproduktion bei Bevölkerungswachstum.

Der zusätzliche Konsum wird prinzipiell finanziert aus dem Leistungslohn, während der notwendige Konsum aus dem Mindestlohn finanziert wird.

Oberflächlich betrachtet könnte man den zusätzlichen Konsum einfach als Luxuskonsum abtun. Luxuskonsum ist auch ein wesentlicher Teil davon und er hat seinen Sinn, da dieser Luxus in angemessener Form ein wesentliches Element der Motivation der Individuen zu persönlicher Leistungsbereitschaft ist und zu einem positiven Lebensgefühl beitragen kann.

Damit ist das Anwendungspotential des zusätzlichen Konsums noch lange nicht ausgeschöpft. Die Güter des zusätzlichen Konsums sind auch die materielle Basis für die gesamten individuellen und gesellschaftlichen Aktivitäten auf dem Gebiet der Kultur und der Wissenschaft. So ist der zusätzliche Konsum die Basis für den eigentlichen gesellschaftlichen Fortschritt und so eine höchst wichtige Erscheinung.

Auf wissenschaftlichem Gebiet ist das Grundlagenforschung, deren praktische Anwendung nicht unmittelbar absehbar ist.

Auf kulturellem Gebiet ist das künstlerische Betätigung, die einerseits Merkmale eines niveauvollen Luxuskonsums hat, in dem sie ein positives Lebensgefühl vermittelt, und andererseits geistige Anregungen befördert und Bildungsinhalte vermittelt.

Auf dem Gebiet der Freizeitgestaltung sind das Möglichkeiten alternative Lebensformen einfach spielerisch oder auch systematisch auszuprobieren.

Diese verschiedenen Formen zusätzlichen Konsums überschneiden sich stark.

Dieser zusätzliche Konsum, der also wesentlich mehr als nur Luxuskonsum ist, stellt die materielle Basis für das eigentliche Entwicklungspotential der Gesellschaft dar und steht deshalb im Mittelpunkt unseres Strebens nach einer möglichst sicheren und lebenswerten Gesellschaft. Deshalb soll das Wirtschaftssystem so organisiert werden, daß ein möglichst großes bedarfsgerechtes Sortiment an Gütern und Dienstleistungen für den zusätzlichen Konsum zur Verfügung steht. Natürlich unter der Voraussetzung, daß zunächst einmal die normale Reproduktion gesichert sein muß und daß unsere Lebensgrundlage, die Umwelt, dabei nicht zerstört wird.

In diesem Sinne sind unsere Aktivitäten, die wir mit Hilfe des zusätzlichen Konsums realisieren, eigentlich auch eine Produktivkraft und zwar unsere kreativste. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht sind sie aber als Konsum einzuordnen, und zwar als Konsum der nicht einmal unmittelbar Arbeitskraft reproduziert. Der Zusammenhang zwischen kulturellen und wissenschaftlichen Aktivitäten und einer entsprechenden Wirkung auf die Produktivität ist sehr sporadische und deshalb in die Planung des Wirtschaftskreislaufs nicht einbeziehbar. Deshalb muß der zusätzliche Konsum aus wirtschaftlicher Sicht erst einmal als Verbrauch ohne Gegenwert abgeschrieben werden. Die meist viel später und sporadische eintretenden Wirkungen gehen dann wieder aus wirtschaftlicher Sicht gesehen als äußere Einflüsse ein, z.B. als höhere Produktivität der Arbeiter durch höhere Bildung oder als verbesserte Produktionsverfahren durch Erfindungen. In diesem Sinne sind sie Störung des eingelaufenen Wirtschaftssystem mit Verlusten und Produktivitätssteigerung mit Wachstumsgewinn zugleich.

Wegen seiner nicht quantifizierbaren gesamtgesellschaftlichen Wirkungen entziehen sich die Aktivitäten des zusätzlichen Konsums (Kulturelle und grundlagenwissenschaftliche Leistungen) dem System eine individuellen Leistungsbewertung. Deshalb müssen diese Leistungen auf Basis nicht-marktwirtschaftlicher Zuwendungen honoriert werden und die Ergebnisse als Gemeingut der Gesellschaft zur freien Anwendung gelten.

Aus wirtschaftlicher Sicht hat ein großer Sektor des zusätzlichen Konsums eine weitere positive Wirkung. Er ist zwar, wie oben erläutert prinzipiell nötig. Er ist aber nicht ständig und in vollem Umfang erforderlich. Damit bildet der zusätzliche Konsum eine strategische Reserve an Wirtschaftspotential, mit dessen Hilfe in Krisensituationen, z.B. starke Strukturveränderungen, Katastrophensituationen, Leistungsreserven erschlossen werden können, so daß die notwendige Versorgung der Bevölkerung in diesen Situationen nicht so leicht gefährdet ist. Die Gesellschaft muß sich aber auf die Möglichkeit derartig kurzfristigen Umdisponierens organisatorisch einstellen.

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