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5.3 Das Leistungsprinzip im Sozialismus

Auch der Staatssozialismus verstand sich als Leistungsgesellschaft nach dem Motto: "Jedem nach seiner Leistung". Da die Löhne für die verschiedenen Berufsgruppen vom Staat festgelegt wurden, waren hier keine selbstoptimierenden Regelmechanismen vorhanden. Die Unterschiede in den verschiedenen Berufsgruppen waren eigentlich nur noch Reste aus den traditionellen Einkommensunterschieden. In der DDR kam u.a. als besondere Erscheinung hinzu, daß bis zur Schließung der Grenze zur BRD die Gehälter von Spezialisten durch Einzelverträge hoch gehalten wurden, um das Abwandern zu verhindern. Das änderte sich deutlich nach 1961. Ansonsten galt der ideologische Grundsatz, möglichst geringe Einkommensunterschiede zuzulassen.

Neben der geringen und recht willkürlichen Differenzierung zwischen den Berufsgruppen, wurde im Staatssozialismus auch ziemlich nachlässig mit der individuellen Leistungsbewertung umgegangen. Ausnahmen bildeten nur einige Tätigkeiten, meist die einfacheren, wo die Arbeitsleistung recht einfach durch Stückzahlen und Mengen gemessen werden konnten. Da es hier feste Normen gab, mußte in diesen Berufen härter gearbeitet werden, als in den anderen, und deshalb waren diese Berufe nicht so beliebt.

Durch das Recht auf Arbeit war das "negative" Leistungsprinzip, die Angst die Arbeit zu verlieren, weitgehend aufgehoben. Es wurde versucht, das durch moralische Anreize zu ersetzen. Sicher ist der moralische Anreiz kein zu unterschätzender Faktor, den man auch in kapitalistischen Betrieben mit mehr oder weniger Erfolg zu nutzen versucht. In der DDR wurde dieser Versuch als "sozialistischer Wettbewerb" bezeichnet. Meine persönliche Erfahrung dazu ist, daß wir im Rahmen dieses "Wettbewerbs" einige interessante gemeinsame Veranstaltungen gemacht haben, an die sich die Kollegen auch heute noch gerne erinnern und etwas vermissen, daß er aber für die Leistungsmotivation kaum etwas gebracht hat. Statt dessen wurde mit formalen Aktivitäten dabei noch eine ganze Menge Arbeitszeit vertrödelt.

Schlußfolgerung: Um das "positive" Leistungsprinzip als wichtigstes in einer sozialen Gesellschaft wirksamer zu machen, als im Staatssozialismus, ist eine größere Differenzierung der Einkommen erforderlich. Um das Leistungsprinzip, insbesondere in den verschiedenen Entscheidungsebenen, zu ermöglichen, müssen fachliche Kompetenz, Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse auch in der jeweiligen Ebene vereint sein. Das "negative" Leistungsprinzip muß nach meiner Meinung in der Weise wirksam bleiben, daß Leistungsunwilligkeit auch durch Entlassung bestraft werden kann und auch wird, aber daß keine Tendenz zur endgültigen Ausgrenzung zugelassen werden darf. Voraussetzung dafür ist es, daß es gelingt ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen.

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