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4.2 System erhaltende Versuche im Kapitalismus

Gibt es Auswege aus dem Widerspruch ohne die kapitalistische Marktwirtschaft aufzugeben ?

Einige vernünftige Kapitalisten könnten dieses Problem erkennen und aus Einsicht in die Notwendigkeit auf ihren Profit verzichten. Da aber in der Praxis diese Einsicht nicht bei allen gleichzeitig kommt, erhalten die uneinsichtigen einen Vorteil, weil sie ihr Kapital weiter wachsen lassen. Dadurch wird der Kapitalanteil der vernünftigen Kapitalisten relativ geringer und damit die Wirkung ihres uneigennützigen Handelns unwirksam. Im Kapitalismus ist der Kapitalist bei Strafe seines Untergangs verpflichtet maximalen Profit zu erwirtschaften.

Starke Gewerkschaften könnten in Tarifverhandlungen Löhne aushandeln, die einer Verteilung des Mehrwerts entsprechen, so daß ein gleichgewichtiger Entwicklungspfad möglich wird. Das müßte heute aber teilweise soweit gehen, daß mindesten zeitweilig kein wertmäßiges Wachstum des Kapitalstocks stattfindet. D.h., daß von den Produktionsmitteleigentümern verlangt werden müßte, auf jeglichen Profit zu verzichten. Das macht es auch für seriöse Unternehmer unzumutbar ihr Geld zu investieren. Da sie aber nicht verpflichtet sind zu investieren, werden sie versuchen dem auszuweichen. Damit ist Arbeitsplatzabbau vorprogrammiert. Man müßte also gleichzeitig die Unternehmer per Gesetz verpflichten, ihr Vermögen nicht aus der Produktion zu ziehen. Damit wäre aber der Kapitalist praktisch enteignet und die kapitalistische Marktwirtschaft würde nicht mehr existieren.

Selbst wenn die Gewerkschaften nicht so weit gehen, den Unternehmern den gesamten Gewinn abzuhandeln, sondern nur einen bescheidenen Anteil am Mehrwert verlangen, der über dem Anteil liegt, der in anderen Ländern ausgehandelt wird, geraten sie in eine Zwickmühle. Mit der Drohung in anderen Ländern zu investieren, werden damit die Gewerkschaften erpreßt. Die schwachsinnige Diskussion um den Wirtschaftsstandort Deutschland ist das praktische Beispiel dafür.

Unter dem Begriff nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik wird der Versuch unternommen durch Interventionen des Staates regelnd in die Marktwirtschaft einzugreifen und so weitgehende Vollbeschäftigung zu erreichen, was auf die Theorie von Keynes zurück geht [9]. Das geschieht u.a. durch Staatsinvestitionen, die über einen Multiplikator die privaten Investitionen anregen sollen, um so neue Arbeitsplätze zu schaffen. Da diese Investitionsanregungen in der Praxis aber immer nur von kurzer Dauer sind, ist der Staat gezwungen immer wieder zusätzliche Staatsinvestitionen zu tätigen und gerät damit in eine immer stärkere Verschuldung, so daß diese Methode nicht dauerhaft betrieben werden kann. Diese Politik war nur in der Zeit erfolgreich, wo die gesamtwirtschaftliche Situation ohnehin noch auf Wachstum orientiert war. In der heutigen Situation, wo die Wachstumsmöglichkeiten der entwickelten Industrieländer stagnieren, gilt diese Politik als gescheitert.

Keynes zieht aus seinen theoretischen Überlegungen aber auch einen interessanten Schluß, der von den Protagonisten der Marktwirtschaft kaum erwähnt wird. Er schreibt am Ende seines Standardwerkes [9]: "Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß dieses Kriterium zu einem viel niedrigeren Zinsfuß als bisher führen wird;... Dies würde nicht bedeuten, daß die Benützung von Kapitalgütern sozusagen nichts kosten würde, sondern nur, daß der Ertrag aus ihnen nicht viel mehr als ihre Erschöpfung durch Wertminderung und Veraltung, zusammen mit einer gewissen Spanne für das Risiko und die Ausübung von Geschicklichkeit und Urteilsvermögen, zu decken haben würde. ... Ich betrachte daher die Rentnerseite des Kapitalismus als eine vorübergehende Phase, die verschwinden wird, wenn sie ihre Leistung vollbracht hat. Und mit dem Verschwinden der Rentnerseite wird noch vieles andere einen Gezeitenwechsel erfahren." Im Klartext heißt das, daß zukünftig kein Einkommen aus Produktionsmitteleigentum erzielt werden darf, wenn ein Wirtschaftsgleichgewicht bei Vollbeschäftigung erreicht werden soll. Dieses Eingeständnis wird verschwiegen, wenn von seiner Theorie die Rede ist, weil diese Erkenntnis nicht für den Bestand der kapitalistischen Marktwirtschaft spricht. Keynes spricht aber auch aus, daß das praktisch das Ende des Kapitalismus ist. Das Dilemma des Kapitalismus heute besteht darin, daß die Kapitalisten versuchen, das gesetzmäßige Streben der mittleren Profitrate gegen Null mit allen Mitteln aufzuhalten. Das bevorzugte Mittel heißt heute Wachstum um jeden Preis. Es ist aber ein Kampf gegen Windmühlen.

Eine weitere heute übliche Methode mit dem Ziel, die Wirtschaft zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu erhalten, ist die sogenannte "Wirtschaftsförderung" durch staatliche Subventionen an die Unternehmen, manchmal ganzer Wirtschaftszweige, wie z.B. den Schiffbau oder die Landwirtschaft in den EU-Staaten. Das Wort "Förderung" soll suggerieren, daß die Wirtschaft etwas bekommt und ihr so geholfen wird. Ein Staat kann aber nichts geben, wenn er nicht vorher etwas nimmt, weil er selbst keine Werte schafft. Es ist lediglich eine Umverteilung. Auch hier ist das eigentliche Problem, daß das Wirtschaftssystem mit seinem nur noch sehr begrenzt möglichen physischen Wirtschaftswachstum nicht mehr in der Lage ist, die Profiterwartungen der meisten Unternehmer zu befriedigen, und deshalb drohen die Unternehmer ihr Vermögen aus dem Wirtschaftskreislauf abzuziehen und erpressen damit den Staat. Daß die Profitraten nicht gleichmäßig in der gesamten Wirtschaft abnehmen, liegt daran, daß der Prozeß von strukturellen Schwankungen überlagert wird, die teilweise auf äußere Einflüsse aber auch auf innere Instabilitäten (Siehe nächster Abschnitt) zurückzuführen sind. Das eigentliche Problem, nämlich dauerhaft in allen Branchen ausreichende Profitraten zu erzielen, wird durch die sogenannte "Wirtschaftsförderung" nicht gelöst. Wäre eine ausreichende durchschnittliche Profitrate in der Volkswirtschaft weiterhin möglich, würden nämlich das Kapital, welches in bestimmten Branchen überflüssig wird, in anderen Branchen investiert und dort würden dann auch die freigesetzten Arbeiter wieder benötigt. So wäre es in einer funktionierenden kapitalistischen Marktwirtschaft nicht notwendig, mit sogenannter Wirtschaftsförderung in Branchen mit Kapazitätsüberschüssen durch Subventionen die Arbeitsplätze krampfhaft zu erhalten.

Schlußfolgerung: Es ist keine Strategie erkennbar, wie innerhalb der kapitalistischen Marktwirtschaft ein vernünftiger Entwicklungspfade durchgesetzt werden kann. Dabei wird von den Protagonisten des Kapitalismus vergessen oder bewußt verdrängt, daß die Menschen nicht für den Erhalt der Wirtschaftssystems da sind, sondern das Wirtschaftssystem für den Erhalt der Menschen.

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