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3.7 Überproduktion und Mangelwirtschaft

Trotz aller Schwierigkeiten zwischen dem Bedarf an notwendigem Konsum und dem Bedarf an zusätzlichem ("nicht notwendigem") Konsum im konkreten Einzelfall zu unterscheiden, ist es für eine vernünftige wirtschaftswissenschaftliche Theorie zwingend erforderlich, zwischen diesen beiden Kategorien zu unterscheiden. Während der notwendige Bedarf begrenzt und auch relativ objektiv erfaßbar ist, ist der Bedarf an zusätzlichen Konsumgütern prinzipiell unbegrenzt. Daraus ergibt sich, daß es prinzipiell keine absolute Überproduktion geben kann. Höchstens eine Überproduktion einiger Arten von Konsumgütern.

Das regelmäßige Überangebot an fast allen Gütern im Kapitalismus ist dagegen ein relatives Überangebot. Dieses relative Überangebot resultiert daraus, daß die Kaufkraft, aber nicht der Bedarf, geringer sind als das Warenangebot. So ist es in einer kapitalistischen Gesellschaft sogar denkbar, daß ein relatives Überangebot auf dem Markt ist und trotzdem eine Mangelwirtschaft besteht in der Weise, daß der notwendige Bedarf für einen großen Teil der Bevölkerung nicht gedeckt wird. Deshalb ist es unsinnig aus den Warenangeboten in den Kaufhäusern auf die Bedarfsdeckung der gesamtgesellschaftlichen Produktion zu schließen. Die überquellenden Warenangebote in der BRD bedeuten nicht, daß die letzten Bedürfnisse der Bürger befriedigt sind, sondern daß sich das kapitalistische Wirtschaftssystem durch seine zu hohen Profitraten aus dem Gleichgewicht bringt und damit sich selbst blockiert.

In den staatssozialistischen Ländern hatten wir dagegen ein anderes Erscheinungsbild und es wurde deshalb auch oft von Mangelwirtschaft gesprochen. Die Warenangebote in den Geschäften war regelmäßig geringer als die Kaufkraft. Das war so, obwohl die Regierung durch ihre Planwirtschaft eigentlich in der Lage gewesen wäre, durch eine restriktive Geld- und Lohnpolitik das Verhältnis zwischen Kaufkraft und Warenangebot planmäßig leicht zu Gunsten eines relativen Warenüberangebots einzustellen. Daß das möglich war zeigten z.B. die unterschiedlichen Warenangebote in den verschiedenen Ländern, wie der DDR, der CSSR und Ungarn. So war Ungarn als ein Land bekannt mit einem für sozialistische Verhältnisse attraktiven Warenangebot, obwohl es keine leistungsfähigere Wirtschaft als die DDR oder die CSSR hatte. Die DDR war mit ihrer Produktivität sicher in der Lage, den notwendigen Bedarf der Bevölkerung zu decken und darüber hinaus noch einen zusätzlichen Konsum zu ermöglichen, wenn auch nicht auf dem Niveau, wie die BRD. Daß die Läden leer waren, hatte damit nichts zu tun. Die Ursache war, daß trotz Planwirtschaft die in der Bevölkerung verfügbare Lohnsumme und der Wert der angebotenen Waren in einem Mißverhältnis standen, zugunsten der Lohnsumme.

Beiden Erscheinungen ist gemeinsam, daß es nicht gelungen ist, Angebot und Nachfrage in ein Gleichgewicht zu bringen und dort zu halten. Aus diesen Gründen ist bei scheinbarer Überproduktion und bei Mangelerscheinungen im Warenangebot stets zu untersuchen, welches die wirklichen Ursachen sind und nicht vorschnell daraus über die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft Schlußfolgerungen zu ziehen.

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