Ausgangspunkte:
- Der heute vorherrschende Kapitalismus (kapitalistische Marktwirtschaft) ist nicht die einzige mögliche Marktwirtschaft.
- Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist, daß Marktmechanismen durchaus nützliche und notwendige Elemente sind, um ein soziales und demokratisches Wirtschaftssystem als Basis für eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Aber nicht die einzigen.
- Simplifizierte Modellvorstellungen einer eindimensionalen Gesetzmäßigkeit des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus in der staatssozialistischen politischen Praxis hat unter Linken eine erhebliche Abneigung gegen wissenschaftlich begründete Modellvorstellungen erzeugt aus Angst, wieder stark vereinfachenden Ideen zu verfallen. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß in der Gesellschaft objektiv wirkende Gesetzmäßigkeiten existieren, die mit wissenschaftlichen Methoden ausreichend genau erkennbar sind und für die Ausarbeitung sozialistischer Alternativen unverzichtbar sind. Diese müssen in neuen und/oder verbesserten Modellvorstellungen verarbeitet werden. Diese Modellvorstellungen dürfen anschließend allerdings nicht als die alleinige unumstößliche Wahrheit angesehen werden, sondern müssen in ihrer Anwendung ständig kritisch hinterfragt werden.
Zunächst wurde in einem mathematischen Modell eine kapitalistische Marktwirtschaft simuliert:
- Die Schlußfolgerung des von-Neumannschen linearen Wachstumsmodells, daß langfristig die mittlere Profitrate in einer kapitalistischen Marktwirtschaft nicht höher sein darf, als das tatsächliche (inflationsbereinigte) physische Wirtschaftswachstum, wird bestätigt. Ein langfristiges physische Wirtschaftswachstum von 1% pro Jahr ergibt in 100 Jahren bereits ein Wachstum mit dem Faktor 2,7 und in 200 Jahren mit dem Faktor 7,3. Selbst bei Vernachlässigung der anstehenden ökologischen Probleme erscheint ein langfristiges (nachhaltiges) Wachstum über 1% nicht realistisch, was bedeutet, daß in einer stabilen kapitalistischen Marktwirtschaft die Produktionsmitteleigentümer mit einer Profitrate unter 1% zufrieden sein müßten, was selbst seriösen Unternehmern nicht auf Dauer zugemutet werden kann.
- Meine Simulation einer klassischen kapitalistischen Marktwirtschaft mit einer konsequenten Regelung der Preise nach Angebot und Nachfrage haben ergeben, daß diese Marktwirtschaft nicht zu einer Optimierung der Wirtschaftsstruktur tendiert, sondern daß dieses System derart instabil ist, daß selbst eine anfangs optimal strukturierte Wirtschaft regelmäßig durch kleinste Störungen das Optimum verläßt und in krisenhafte Schwingungen gerät.
- Die beiden vorhergehenden Thesen sind eine weitere Bestätigung der bereits von Marx begründete Ansicht, daß die kapitalistische Gesellschaft keine dauerhafte Überlebenschance hat.
Durch Weiterentwicklung des von-Neumannschen Modells eines wirtschaftlichen Gleichgewichts ist es möglich, aus dem gegebenen Stand der Entwicklung der Produktivkräfte dargestellt durch die bekannten Produktionsverfahren und der Formulierung von Kriterien einer optimale Volkswirtschaft mit Hilfe des Simplexalgorithmus optimale Wirtschaftsstrukturen zu berechnen:
- Das Ergebnis dieser Untersuchungen zeigt, das es für eine bedarfsgerechte Wirtschaft nicht nur eine optimale Struktur gibt. Statt dessen gibt es einen dreidimensionalen Raum optimaler Wirtschaftsstrukturen über die Parameter Wachstum, Arbeitszeit und zusätzlicher Konsum innerhalb von Grenzen objektiver Sachzwänge, in dem sich die Gesellschaft für eine konkrete Struktur in Abhängigkeit von nicht ökonomischen Gesichtspunkten relativ frei entscheiden kann.
- Damit ist ein weiteres Argument gefunden gegen die neoliberale Forderung, die Wirtschaft ausschließlich einem blinden (kapitalistischen) Marktmechanismus zu überlassen. Statt dessen muß es Aufgabe linker Bewegungen sein, Konzepte demokratischer Wirtschaftsstrukturen zu entwickeln, die marktwirtschaftliche Element der Selbstregulation und demokratischer Einflußnahme parallel ermöglichen.
Es wird ein Modell zur Simulation eines Arbeitsmarktes als Teilsystem einer Marktwirtschaft entwickelt:
- Mit dem Modell wird der von Marx eingeführte Begriff der "gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit" theoretisch weiter ausgestaltet und seine Quantifizierung ermöglicht.
- Es wird gezeigt, daß abhängig vom Entwicklungsstand der Produktivkräfte und einem Spektrum verschiedener individueller Fähigkeiten der arbeitenden Individuen der Gesellschaft eine optimale Lohnstruktur existiert, die auf einem freien Arbeitsmarkt jedes Individuum bei richtiger Einschätzung seiner Fähigkeiten veranlassen würde, den Beruf zu wählen der gesamtgesellschaftlich zu einer optimale Beschäftigungsstruktur führt.
- Diese Lohnstruktur ist zunächst nicht automatisch sozial verträglich. Es wird gezeigt, daß durch Modifizierung dieser optimalen Lohnstruktur durch Einführung eines Mindestlohns ein wirksames sozialverträgliches Leistungsprinzip realisierbar ist.
- Mit diesem Modell könnte in Zukunft geklärt werden, in welchem Maße Einkommensunterschiede notwendig sind, so daß sowohl die leistungshemmende Gleichmacherei des Staatssozialismus als auch ungerechtfertigte Spitzengehälter der kapitalistischen Marktwirtschaft vermieden werden können.
- Es wird ein Marktmechanismus angegeben, der die optimale Lohnstruktur erzeugt.
Ausgehend von den vorangegangenen theoretischen Untersuchungen wird thesenhaft ein Konzept für eine sozialistische Marktwirtschaft beschrieben und durch einige Kommentare teilweise (zur Zeit noch unvollständig) begründet. Dabei wird die Eigentumsfrage auf kreative Weise neu beantwortet. Folgende drei wesentliche Innovationen bilden den Kern des Konzepts:
- Das nach Zeit und Umfang unbegrenzte Privateigentum an den natürlichen Ressourcen in der kapitalistischen Marktwirtschaft wird ersetzt durch ein leistungsunabhängiges Nutzungsrecht jedes einzelnen. Das soll realisiert werden, indem eine zweite Währung, die Ressourcenwährung, eingeführt wird, die leistungsunabhängig gewährt wird. Durch einen demokratischen gesetzgeberische Prozeß wird der Umfang der jährlich nutzbaren Ressourcen festgelegt und auf einem Ressourcenmarkt angeboten. Damit soll eine nachhaltige Entwicklung im Interesse nachfolgender Generationen gesichert werden und ein Zugang jedes Einzelnen zu einem angemessenen Anteil an der Ressourcennutzung, ohne dabei durch einen aufgeblähten Apparat anschließend in Details täglicher Wirtschaftsentscheidungen eingreifen zu müssen.
- Einkommen aus Eigentum an Produktionsmitteln wird abgeschafft. Um den gesellschaftlich notwendigen Produktionsmittelstock zu realisieren, wird dieser finanziert aus einem gesetzlich festzulegenden prozentualen Anteil aus dem Leistungslohn der arbeitenden Bevölkerung, so daß jedes Mitglied der Gesellschaft im Laufe seines Berufslebens einen persönlichen Anteil am gesamtgesellschaftlichen Produktionsmittelvolumen bereitstellt. Mit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben wird dieser Anteil neben einer Grundrente als leistungsabhängige Altersrente verwendet, so daß eine akkumulierende Vererbung von Privateigentum an Produktionsmitteln vermieden wird. Daneben kann es einen gesamtgesellschaftlichen Produktionsmittelgrundstock geben.
- Die arbeitenden Mitglieder der Gesellschaft treten Wirtschaftsvereinen bei. Deren Aufgabe ist es, die Produktionsmittelanteile der Mitglieder effektiv in deren Interesse und unter demokratischer Mitbestimmung der Mitglieder einzusetzen. Damit sind die Wirtschaftsvereine professionelle Vermittler zwischen den eigentlichen Produktionsbetrieben, deren Produktionsmittelausstattung von den Wirtschaftsvereinen finanziert wird, und der großen Anzahl der arbeitenden Produktionsmittelbesitzer.
Mit diesem Manuskript habe ich meine bisherigen wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen und Überlegungen zur Selbstverständigung und als Diskussionsgrundlage für interessierte Gesprächspartner zusammengestellt. Ich beabsichtige damit eine neue Qualität in der systematischen Suche nach sozialistischen Alternativen zu befördern und hoffe auf diese Weise Mitstreiter zu finden, die bei der weiteren Ausarbeitung meines Konzept mitarbeiten möchten.
Titelblatt Thesen weiter