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7.2.2 Wirtschaftsvereine
Wirtschaftsvereine sind Organisationen der Produktionsmitteleigentümer (der Arbeiter) zur Verwaltung ihrer Produktionsmittelanteile und Wahrnehmung ihrer diesbezüglichen Interessen. Sie sind Vermittler zwischen den Produzenten und den Produktionsmitteleigentümern und übernehmen damit wirtschaftsleitende Aufgaben der Arbeiter, insbesondere der Verteilung und Überwachung des Produktionsmittelvermögens im Interesse der Arbeiter.
- Wirtschaftsvereine sollen damit einerseits ein notwendiges Element der wirklich sozialen Marktwirtschaft sein, indem sie als Verteiler der Produktionsmittelwerte den "Kapital"-markt mit sozialer Garantie verkörpern. Außerdem sind diese Vereine die wirtschaftlichen Machtinstrumente der Arbeiter, die bei erforderlichen Änderungen der Wirtschaftsstruktur Planungs- und Verteilungskompetenz besitzen, um diese Strukturveränderungen auch sozial verträglich durchzuführen. Sie sind also bei Bedarf auch das planwirtschaftliche Element des Wirtschaftssystems.
- Im Staatssozialismus hatte der Staat die Funktion der Wirtschaftsvereine. Das hat sich nicht bewährt. Erstens weil dadurch ein wirtschaftsleitendes Monopol bestand, so daß keine Konkurrenz zur Reduzierung der Bürokratie und zur effektiven Wirtschaftsleitung bestand. Außerdem hat die Verbindung von politischer und wirtschaftlicher Macht zu erheblichen Demokratiedefiziten geführt. Damit ist auch die Entfremdung der Arbeiter von ihren Produktionsmitteln ("Volkseigentum") zu groß geworden, da der Staat die Produktionsmittel als sein Eigentum (Staatseigentum) betrachtet hat.
- Trotz des Bestrebens, dem einzelnen Arbeiter konkrete Eigentumsrechte an den Produktionsmittel einzuräumen und ihm damit die Möglichkeit zu geben, seine Interessen zu vertreten, scheint es sinnvoll eine Organisation einzuschalten. Damit sollen die einzelnen Arbeiter entlastet werden von ihrer wirtschaftsleitenden Funktion, ohne dabei die Möglichkeit ihrer Einflußnahme aufzugeben.
- Auch für die Unternehmen dürfte die Existenz von Wirtschaftsvereinen nützlich sein, weil sie bei der Produktionsmittelbeschaffung bei Produktionserweiterung nur mit wenigen professionellen Partnern verhandeln müssen.
- Das Verhältnis zwischen der Zahl der Arbeitskräfte und dem Wert der notwendigen Produktionsmittel ist in den verschiedenen Branchen sehr unterschiedlich. Deshalb ist es nicht sinnvoll, daß einfach jeder Arbeiter den Wert seines Produktionsmitteleigentums dem Unternehmen zur Verfügung stellt, in welchem er eine Anstellung findet. Die Zwischenschaltung einer Wirtschaftsorganisation schafft die Möglichkeit, durch Belieferung eines Spektrums an Unternehmen mit Produktionsmittelwerten und Arbeitskräften das auszugleichen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Organisationsform der Produktionsgenossenschaften nachteilig und es muß sich erst erweisen, ob die Produktionsgenossenschaft als Organisationsform von Produktionseinheiten bestand haben wird.
Ein Wirtschaftsverein besteht aus den Mitgliedern, einem geschäftsführenden Vorstand und angestellten Mitarbeitern. Die für den laufenden Geschäftsbetrieb notwendigen materiell-technischen Mittel und Kosten, werden durch Beiträge der Mitglieder entsprechend ihren Einlagen an Produktionsmittelwerten finanziert. Diese Beiträge sind getrennt von den Einlagen der Mitglieder nach den Kalkulationsrichtlinien von Unternehmen als Dienstleistung zu kalkulieren und zu dokumentieren.
- Mit den Wirtschaftsvereinen ist ein neues Wirtschaftssubjekt geschaffen, welches neue Bürokratie erzeugt. Diese Bürokratie sehe ich aber nicht als prinzipiell zusätzlich. Im bisherigen Sozialismus hat diese Bürokratie der Staat veranstaltet. Im Kapitalismus veranstalten diese Bürokratie die Konzerne, Banken und staatlichen Wirtschaftskontroll- und Förderungsinstitutionen.
Die Wirtschaftsvereine haben auch dafür zu sorgen, daß mit Hilfe des Produktionsmittelfonds ausreichend Arbeitsplätze geschaffen werden und damit die gesamtgesellschaftliche Arbeit gerecht verteilt wird. Sie sind auf Wunsch ihrer Mitglieder verpflichtet, diese bei der Suche einer Arbeit entsprechend den Wünschen und den Fähigkeit der Arbeiter zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet ihnen eine zumutbare Arbeitsstelle zu vermitteln.
- Ein Wirtschaftsverein hat damit Funktionen, die im Kapitalismus verschiedene Institutionen im Interesse der Kapitalisten wahrnehmen, teilweise die Funktion einer Bank, teilweise die Funktion einer Holding, teilweise die Funktion einer Aktiengesellschaft und teilweise die Funktion einer Börse. Da aber die Mitglieder der Wirtschaftsvereine Produktionsmittelbesitzer und Arbeiter zugleich sind, ist ihre Aufgabe komplexer. Die Wirtschaftsvereine müssen mit der Verwaltung der Produktionsmittelwerte im Interesse der Arbeiter eine Strukturpolitik betreiben, die den Arbeitern Arbeit und damit Einkünfte für ihren Lebensunterhalt sichert.
- Wie weit sich die Wirtschaftsunternehmen in die individuelle Arbeitsuche der Arbeiter einmischen müssen, sollen oder dürfen, darüber muß noch ausführlicher nachgedacht werden.
Wirtschaftsvereine können und sollen neue Unternehmen gründen, die dann aber eigenständig handeln.
- Die Wirtschaftsvereine sollen aber auch klare Kompetenzgrenzen haben. Sie sollen keine übergeordneten Leitungsorgane der einzelnen Unternehmen sein. D.h., daß sie sich nicht in die Produktions- und Geschäftstätigkeit der Unternehmen einmischen. Sie haben lediglich Kontrollrechte durch Mitglieder im Aufsichtsrat. Es muß dafür gesorgt werden, daß die Unternehmen eine ausreichende Rechtssicherheit erhalten in der Verfügung über die ihnen übergebenen Produktionsmittelwerte, deren Eigentümer sie ja nicht sind, so daß es nicht möglich ist, sie trotz guter Auftragssituation stillzulegen, oder starke Kapazitätseinschränkungen zu erzwingen.
Wirtschaftsvereine können und sollen auch Wirtschaftsforschungs- und Wirtschaftsplanungsinstitutionen unterhalten.
Wirtschaftsvereine werden im engeren Sinne nicht politisch tätig.
- Sie dürfen keine politischen Parteien durch Spenden unterstützen oder sonst ihre wirtschaftliche Macht als politisches Instrument anwenden.
Es gibt mehrere Wirtschaftsvereine, die untereinander um Mitglieder konkurrieren. Die Produktionsmitteleigentümer können die Mitgliedschaft in den Wirtschaftsvereinen wechseln und auch neue Vereine gründen.
- Der Wechsel des Wirtschaftsvereins ist ein wesentliches Recht des einzelnen Arbeiters, im Rahmen seiner wirtschaftlichen Mitbestimmung. Er darf deshalb prinzipiell nicht verhindert werden. Es können allerdings zu Sicherung von wirtschaftlicher Stabilität angemessene Kündigungsfristen für die Freigabe der Produktionsmittelwerte für anderweitigen Einsatz festgelegt werden, z.B. für die Übergabe in die Verfügung des anderen Wirtschaftsvereins.
Wenn durch die Größe eines Wirtschaftsvereins die Gefahr einer wirtschaftsbeherrschenden Situation entsteht, wird dieser verpflichtet sich in mindestens zwei gleichwertige zu teilen.
- Wieviel Mitglieder ein Wirtschaftsverein im Durchschnitt halben soll, wieviel mindestens und wieviel höchstens muß die Praxis zeigen. Wenn z.B. in einem Territorium wie Deutschland mit ca. 40 Mill. Erwerbstätigen ein Wirtschaftsverein durchschnittlich 1 Mill. Mitglieder hat, wären das ca. 40 Vereine.
- Es muß gesichert sein, daß jeder Erwerbstätige in seinem Territorium problemlos zwischen mehreren Vereinen wählen kann.
Wirtschaftsvereine können analog den Unternehmen als Verein kein Eigentum erwerben.
- Langlebige technische Einrichtungen, wie Verwaltungsgebäude und deren Einrichtung, werden wie Produktionsmittel der Unternehmen aus dem Produktionsmittelvermögen der Mitglieder finanziert und bleiben deshalb wertmäßig Eigentum der Mitglieder und nicht des Vereins. Aus den Mitgliedsbeiträgen werden nur laufende Ausgaben bestritten. Ob die Mitgliedsbeiträge nun von ihrer Erhebung bis zu ihrer Ausgabe als Eigentum des Vereins anzusehen sind, ist nicht dogmatisch zu sehen. Sie dürfen aber nicht in dauerhafte Einrichtungen investiert werde und so zu einer Akkumulation von Eigentum des Vereins führen.
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