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12 Offene Probleme, weitere Aufgaben zur Vervollständigung des Konzepts einer sozialistischen Marktwirtschaft und des dazugehörigen gesellschaftlichen Überbaus
Das vorgestellte Konzept einer sozialistischen Marktwirtschaft ist bisher nur ein gedankliches Gerüst, welches es weiter auszufüllen gilt. Es ist höchste Zeit, es aus dem Kämmerlein eines privaten Ein-Mann-Forschungsprojekts zu entlassen und kollektiv weiter zu bearbeiten, denn es sind noch viele Detailfragen zu klären. In unvollständiger Aufzählung fallen mir da folgende Teilaufgaben ein:
- Bearbeitung juristischer Probleme:
- In der DDR-Verfassung war der Sozialismus festgeschrieben. Im Grundgesetz der BRD ist die kapitalistische Ordnung nicht festgeschrieben, aber begünstigt. Es ist eine Meinung zu entwickeln, ob in einer Verfassung die herrschende Gesellschaftsordnung zukünftig festzuschreiben ist, oder ob eine Verfassung gegenüber der konkreten Gesellschaftsordnung weitgehend neutral sein soll.
- Welchen Spielraum läßt das Grundgesetz für die Einführung einer sozialistischen Marktwirtschaft? Gibt es Artikel, die dem prinzipiell entgegenstehen und deshalb geändert werden müßten? Gibt es Artikel, die nicht unbedingt geändert werden müssen, aber geändert und/oder ergänzt werden sollten.
- Das DDR-Recht war von seinem Aufbau sehr übersichtlich und dadurch auch für den Laien einigermaßen verständlich. Das ist allerdings teilweise der Tatsache geschuldet, daß ihre Entstehung nicht sehr demokratisch erfolgte. Es hatten nicht viele dabei mitzureden, so daß wenig Streit um Kompromisse die Einheitlichkeit belastete. Dagegen ist das bundesdeutsche Recht, welches teilweise schon sehr alte Bestimmungen enthält, durch das laufende parlamentarische Gezerre um Kompromisse im offenen Kampf der Interessen gegeneinander zu einem bürgerunfreundlichen Konglomerat angewachsen. Ist es unter demokratischen Bedingungen denkbar ein bürgerfreundliches Recht für die sozialistische Marktwirtschaft zu gestalten?
- Es ist ein Entwurf für ein Steuerrecht zur Finanzierung der Staatsaufgaben zu entwerfen.
- Es ist ein Entwurf für ein Wirtschaftsrecht zu entwerfen, welches das neue Wirtschaftssubjekt "Wirtschaftsverein" und die veränderten Beziehungen aller Wirtschaftssubjekte berücksichtigt.
- Gestaltung des Leistungsprinzips:
- Auf der Basis der Untersuchungen zum Modell eines Arbeitsmarktes und dem Leistungsprinzip [7] ist die praktische Organisation eines effektiven Leistungslohnsystems zu entwickeln.
- Ein besonders sensibles Problem dürfte hierbei die Gestaltung der Entlohnung der Wirtschaftsmanager sein, wobei einerseits verhindert werden muß, daß sie sich durch Selbstbewertung zu hoch bewerten und wie im Kapitalismus in ungerechtfertigte Höhen entschwinden und anderseits eine ausreichende Differenzierung entsteht, so daß im Management genügend leistungsfähige Kader bereit sind, sich dem Leitungsstress auszusetzen.
- In vielen Berufgruppen, insbesondere in denen, wo kreative geistige Arbeit geleistet wird, bleibt es schwierig, die individuelle Leistung des Einzelnen objektiv zu bewerten. Es werden weiterhin subjektive Bewertungsmethoden notwendig sein. Diese subjektive Bewertung allein dem Chef zu überlassen ist problematisch, weil die Gefahr besteht, daß dann die Arschkriecher überbewertet werden. Wie problematisch eine Selbstbewertung durch das Arbeitskollektiv ist, haben wir in den sporadischen Versuchen in der DDR erlebt, eine stärker leistungsabhänige Vergütung einzuführen. Hier sind noch kreative Lösungen gefragt. Hier ist soziologische und sozial-psychologisches Kompetenz sicher hilfreich.
- Es ist ein geeignetes Finanzsystem zu entwickeln. Da die Geldmärkte nicht mehr, wie im Kapitalismus, ein Hauptfeld der Wertabschöpfung durch die Besitzenden darstellen, wird sich die Bedeutung des Finanzsystems nach meinen Vorstellungen auf einen Dienstleistungssektor reduzieren, der sich mit der Abwicklung von Zahlungsvorgängen und Kontenführungen, mit Konsumentenspareinlagen und –krediten und evtl. mit kurzfristigen Krediten zur Zwischenfinanzierung in der Wirtschaft befassen wird. Dadurch wird sich sein Umfang und seine wirtschaftliche Bedeutung verringern. Als neue Aufgabe kommt aber hinzu, daß zukünftig parallel zwei grundsätzlich verschiedene Währungen auf dem Binnenmarkt verwaltet werden müssen. Es ist darüber nachzudenken, ob diese Aufgaben von einer staatlichen Bank wahrzunehmen sind, ober ob diese Aufgaben von nicht staatlichen Unternehmen wahrgenommen werden können bzw. sollen, die ihre Dienstleistungen über Kontoführungsgebühren u.Ä. vergütet bekommen, aber aus dem durch sie verwalteten Vermögen keine Gewinne abschöpfen. Über die konkrete Gestaltung eine solchen Finanzsystems ist noch ausführlich nachzudenken, wobei die Erfahrungen von Finanzexperten des kapitalistischen und des staatssozialistischen Bankwesens genutzt werden sollten.
- Das Steuersystem zur Finanzierung der Staatsaufgaben ist neu zu gestalten. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, daß es nicht zu einem so unübersichtlichen System verkommt, wie das der BRD.
- Es ist die Arbeitsweise und Gestaltung der Behörde zur Verwaltung der Nutzungsrechte an den natürlichen Ressourcen zu erarbeiten.
- Im Zusammenhang mit der Neugestaltung der Verfügungsrechte an den Produktionsmitteln ist weiter darüber nachzudenken, wie das unternehmerische Investitionsrisiko auf die Verfügungsberechtigten sozial verträglich durchschlägt, wie es honoriert werden muß und welche konkreten Mitbestimmungsrechte dem einzelnen in diesem Zusammenhang zu gewähren sind.
- Welche Rolle sollen Gewerkschaften in einer sozialistischen Marktwirtschaft und in der Übergangsphase spielen?
- Es ist weiter über die mögliche Gestaltung der internationalen Beziehungen, insbesondere bei Existenz verschiedener Wirtschaftssysteme, nachzudenken.
- Wie erfolgt der Import und der Export von natürlichen Ressourcen, wenn in einem System bereits eine Ressourcenwährung existiert und in dem anderen noch nicht?
- Wie ist mit den Eigentums- und Nutzungsrechten von Produktionsmitteln und natürlichen Ressourcen bei Ein- und Auswanderungen zwischen verschiedenen Wirtschaftssystemen zu verfahren?
- Sollen Bürger anderer Wirtschaftseinheiten Eigentum und Nutzungsrechte erwerben dürfen, und wenn ja, unter welchen Bedingungen?
- In der kapitalistischen Gesellschaft sind mit mehr oder weniger Erfolg verschiedene soziale Elemente eingeführt worden. Es sind Experimente anderer Lebens- und Wirtschaftsformen durchgeführt worden. Es gilt diese Erfahrungen auszuwerten unter dem Gesichtspunkt, welche Problemen sind mit ähnlichen Elementen in der sozialistischen Marktwirtschaft zu erwarten. Dabei sind nicht nur die Experimente mit wenigstens teilweise positivem Ergebnis heranzuziehen, sondern auch die Experimente, die im Kapitalismus vollständig daneben gegangen zu sein scheinen. Dabei besteht natürlich das Problem zu unterscheiden, welche Erscheinungen sind darauf zurückzuführen, daß dieser Versuch im falschen System stattfand, und welche Erscheinungen liegen in diesem Element selbst begründet. Dazu fallen mir folgende zu analysierende Elemente ein:
- Die Sozialversicherung und das Rentenrecht.
- Volksaktien und Investivlöhne. Versuche der Kapitalbildung bei Arbeitern.
- Mißglückter Versuch mit dem Gewerkschaftsunternehmen "Neue Heimat". Erfahrungen mit Konsumgenossenschaften.
- Erfahrungen aus Betrieben, die nach dem Anschluß von der Belegschaft oder ehemaligen Leitern übernommen wurden.
- Erfahrungen und Probleme des stark auf genossenschaftliches Eigentum orientierten Sozialismus Jugoslawiens.
- Die Praxis der Vergütung von Arbeitnehmer-Erfindungen als Beispiel einer leistungsabhängigen Vergütung, die erst viel später bei Erfolg gezahlt wird.
- Analyse der Funktionsweise von Kapitalgesellschaften, als kapitalistische Varianten der Vergesellschaftung von Produktionsmitteln. Welche Einflußnahme haben Aktionäre auf das Betriebsgeschehen? Wie Effektiv erfolgt die Delegierung der Vertretung der Interessen der Eigentümer auf die Geschäftsführer und weiter auf die Belegschaft?
- Betriebsverfassungsgesetz. Erfahrungen aus der Praxis der Mitbestimmung der Belegschaften durch die Betriebsräte.
- Auswertung der Erfahrungen mit Flächennutzungsplänen und Generalbebauungsplänen als ein Instrument, welches das kapitalistische Eigentum an Grund und Boden teilweise bereits drastisch in Richtung Nutzungsrecht eingeschränkt hat.
- Erfahrungen mit nicht-staatlichen Organisationen zur Kontrolle des Staates und der Unternehmen im Interesse der Bürger, z.B. Stiftung Warentest, Mieterbund, Bund der Steuerzahler, Naturschutz- und Umweltvereine, Bürgerinitiativen.
- Die Ideen zum Konzept der sozialistischen Marktwirtschaft resultieren zum Teil aus meinen Untersuchungen zur Modellierung der Volkswirtschaft [6] und des Arbeitsmarktes [7]. Diese sind weiter zu entwickeln, weil auch daraus weitere Erkenntnisse für die konkrete Gestaltung der sozialistischen Marktwirtschaft zu erwarten sind:
- Einführung stochastischer Elemente in die Modelle, um die Streuung der individuellen Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte realistischer zu simulieren.
- Einführung von Nebenkosten für die Finanzierung der Staatsaufgaben.
- Integration des Arbeitsmarktmodells in die Volkswirtschaftsmodelle
- Einführung eines Ressourcenmarktes in die Volkswirtschaftsmodelle.
- Versuch einer Modellrechnung mit echten Volkswirtschaftsdaten. Das ist sehr aufwendig und kann nur von professionellen Wirtschaftsforschungsinstituten in Angriff genommen werden. Probleme: Datenbeschaffung, Rechnerkapazität.
- Eine sozialistische Marktwirtschaft könnte als ein Computer-Spiel, eine Art "sozialistisches Monopoly", entwickelt werden, welches viele Teilnehmer über ein Netz miteinander spielen können. Damit könnten weitere Erfahrungen über Funktionsweise und Probleme gesammelt werden unter Einbeziehung handelnder Menschen. Außerdem könnte so ein Spiel dazu beitragen, die Ideen der sozialistischen Marktwirtschaft zu verbreiten, insbesondere unter jungen Menschen. Dieses Spiel sollte als ein offen zugänglicher Baukasten konzipiert werden, so daß jederzeit neue Elemente eingefügt werden können und dadurch eine Weiterentwicklung ermöglicht wird und verschiedene Varianten abgeleitet werden können.
- Die Frage, ob in China eine Chance besteht, die Entwicklung in Richtung einer sozialistischen Marktwirtschaft zu lenken, wirft einige besondere Probleme auf. Gründe dafür liegen in den Tatsachen: Erstens, herrschen in China noch alte staatssozialistische Strukturen, was dafür sprechen könnte. Zweitens, ist bereits eine Entwicklung in Richtung eines Kapitalismus im Gange, was dagegen spricht. Drittens, ist die Entwicklung der Produktivkräfte in vielen Bereichen noch sehr gering, was auch dagegen spricht. Viertens, stellt China eine ausreichend große Wirtschaftseinheit dar, was dafür spricht. Es wäre sicher eine interessante Aufgabe, dieser Frage einmal tiefgründiger nachzugehen. Insbesondere, wenn diese Frage gemeinsam mit chinesischen Experten untersucht würde.
Es ist prinzipiell kein vollständiger Plan für eine zukünftige Gesellschaftsordnung vorher auszuarbeiten. So ein Plan ist erst recht nicht als unumstößliches Dogma zu erklären. Trotzdem bin ich aus methodischen Gründen der Meinung, daß man sich bemühen muß, alle erkennbaren Fragen und Probleme vorher so konkret wie möglich zu beantworten. Erstens verleitet das nicht dazu, bereits als schwierig erkennbare Probleme zunächst beiseite zu schieben. Zweitens lassen sich konkrete Vorstellungen leichter an andere weitergeben und es kann dann auch mit konkreten Einwänden darüber gestritten werden, so daß Fehler schon vor Einführung korregiert werden können. Drittens ist in einem späteren Vergleich mit der Realität ein besserer Vergleich zwischen Theorie und Praxis möglich, was der theoretischen Weiterentwicklung dient. Man muß allerdings auch den Mut zum Irrtum haben und bereit sein zu Korrekturen.
Hiermit hoffe ich nun auf interessierte Leser und einige Mitstreiter bei der Weiterentwicklung dieser Ideen, die nach meiner Meinung Erfolg versprechenden sind.
Ich hoffe aber auch, daß andere versuchen, in andere Richtungen ernsthaft und erfolgreich Alternativen zum Kapitalismus zu finden, damit die Entwicklung der Menschheit tatsächlich in verschiedene erfolgversprechende Richtungen offen bleibt und so die Wahrscheinlichkeit, in einer Sackgasse zu enden, verringert wird.
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