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9.4 Interpretationen zur Leistungsmatrix

In meinem Demonstrationsmodell wurde so scheinbar mühelos eine Leistungsmatrix angegeben. Sie soll Informationen enthalten, nicht nur über die Leistungsfähigkeit aller Arbeiter der Gesellschaft in ihrem aktuellen Beruf, sondern auch über ihre potentielle Leistungsfähigkeit in allen anderen Berufen. Sie stellt damit eine gewaltige Informationsmenge dar. Es drängt sich nun die Frage auf, ob diese Matrix bzw. deren Informationsgehalt in der Gesellschaft präsent ist bzw. in irgend einer Weise erfaßbar ist. So interessant diese Informationen für eine Modellrechnung eines realen Wirtschaftssystems wären, gehe ich davon aus, daß annähernd brauchbare Wert auf absehbare Zeit nicht in eine Informationsquelle zusammengetragen werden können, wo sie dann für wissenschaftliche oder wirtschaftspolitische Zwecke genutzt werden könnten.

Trotzdem existieren diese Informationen verteilt in den Köpfen der Mitglieder der Gesellschaft und wirken dementsprechend auf einem realen Arbeitsmarkt. So macht sich jeder Berufseinsteiger bei der Wahl seines Berufes, so er eine Wahl hat, Gedanken darüber, wo seine besonderen Fähigkeiten liegen und hat auch mehr oder weniger zuverlässige Informationen, wieviel in den verschiedenen Berufen zu verdienen ist. Auch wer sich mit dem Gedanken trägt, sich beruflich zu verändern, muß darüber nachdenken: Auf welchen Gebieten habe ich welche Fähigkeiten, sofort verfügbar, nach einer gewissen Einarbeitung bzw. nach einer eventuellen Umschulung? Das Wissen um seine eigenen Fähigkeiten repräsentiert so jeweils eine Zeile in der gesamtgesellschaftlichen Produktivitätsmatrix p. Damit sind die Informationen der Leistungsmatrix in der Gesellschaft präsent und zwar an den Stellen, wo sie zum Handeln, nämlich für individuelle Fluktuationsentscheidungen, benötigt werden, so daß diese Informationen auf dem Arbeitsmarkt auch wirken, ohne daß jemand die Gesamtheit dieser Informationen kennt.

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß bei Fluktuationsentscheidungen zunächst nicht die tatsächlichen Fähigkeiten wirken, sondern die in der Selbstwahrnehmung reflektierten Fähigkeiten, die von den tatsächlichen abweichen können. Erst zu einem viel späteren Zeitpunkt nach Antritt einer neuen Tätigkeit gibt es eine Rückmeldung, ob die Erwartungen auch eingetreten sind und ob im Falle eines Irrtums evtl. eine neue Fluktuationsentscheidung nötig ist. Damit der Optimierungsprozeß des Arbeitsmarktes funktioniert, besteht deshalb ein gesamtgesellschaftliches Interesse, daß jeder seine persönlichen Fähigkeiten möglichst richtig einschätzt. Daraus ergibt sich, daß ein objektives Interesse der Gesellschaft an einer niveauvollen Berufsberatung besteht. Diese sollte sich nicht darauf beschränken, Arbeitsuchende zu überreden möglichst dort zu arbeiten, wo aktueller Arbeitskräftemangel besteht, sondern möglichst frei von wirtschaftspolitischem Kalkül Hilfe zur Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten und auch Unfähigkeiten zu leisten. Hinzu kommt, daß diese Beratung fundierte Informationen über realisierbare Einkommen in den verschiedenen Berufen liefern sollte.

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